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Die Villa Baltic

Nach mehr als 100 Jahren ist die Villa noch immer ein beeindruckendes Gebäude und eines der schönsten in Kühlungsborn. Statt prachtvoller Erhabenheit verströmt der Bau heute eine morbide Melancholie. Seit Jahrzehnten steht die Villa leer – und so mancher Kühlungsborn-Besucher vor der Frage, wie es so weit kommen konnte. Die Villa Baltic zählt zu den bedeutendsten Gebäuden des Ostseebades. Sie wurde als Wohnhaus des Berliner Justizrates Wilhelm Hausmann im Zeitraum von 1910 bis 1912 nach Entwürfen des bekannten mecklenburgischen Architekten Alfred Krause (1866–1930) gebaut. Stilistisch ist dieser stattliche zweigeschossige Putzbau dem Neobarock beizuordnen. Die Fassade wird durch den runden Eckturm, den reich verzierten und geschwungenen Giebel, die beiden risalitartig vorgezogenen Mittelachsen sowie durch die von dorischen Säulen getragene Vorhalle mit der darüber liegenden Terrasse geschmückt. Die Witwe des Justizrates, Margarete Hausmann, überließ das Gebäude mit dem ihn umgebenden Park als Stiftung der damaligen „Hochschule für die Wissenschaft des Judentums“ in Berlin. Am 28. Juni 1931 wurde es als Erholungsheim für jüdische Akademiker eröffnet, und im gleichen Jahr zählte die Erholungsstätte bereits 104 Gäste. Die „Akademische Gesellschaft Hausmann-Stiftung“ mit ihren 136 Mitgliedern erwarb auch im gleichen Jahr die gegenüber liegende Villa Horn“ (1942 zerstört), um Kurgäste unterzubringen. Nach der unheiträchtigen Ankündigung in der Zeitung „Niederdeutscher Beobachter“ vom 7. Juli 1935 „Arendsee wird judenrein“ zertrümmerten einige Tage später einheimische Nationalsozialisten die Fensterscheiben des sogenannten „Judenschlosses". Daraufhin schlossen die örtlichen Behörden die Einrichtung. Im Jahre 1937 trat die „Goebbels-Stiftung für Bühnenschaffende" in der Reichstheaterkammer als neuer Besitzer auf. Der Leiter des Hauses, Alfred Brendel, schrieb 1938 über die Hausbibliothek in der Villa Hausmann: „Auf dem Boden in der alten Bettenkammer haben wir ungefähr anderthalb Zentner richtiggehende Judenschwarten liegen, ... Auch alte Bilderrahmen mit den Fotos von den Gaunern, die dieses Schloss erbauten, kurzum alle solche Sachen, die in unsere Weltgeschichte nicht mehr passen.” Dazu findet sich die handschriftliche Randbemerkung „Rahmen aufbewahren, Fotos vernichten.” Die Nationalsozialisten brüsteten sich damit, dass sie das Haus für 20.000 RM erworben hatten, während der wahre Wert jedoch bei 1.500.000 RM lag. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Haus kurzzeitig der Jüdischen Landesgemeinde Mecklenburg übereignet, wechselte jedoch in der DDR nochmals die Besitzer. Es gehörte als Erholungsheim “Kurt-Bürger” dem FDGB-Feriendienst. In den Jahren 1969 bis 1972 wurde das Gebäude durch den Anbau der Meerwasserschwimmhalle erweitert. Seit 1990 steht es leer, da verschiedene Investoren ihre Pläne nicht verwirklichen konnten. Im Jahr 2017 wurde die baufällige Meerwasserschwimmhalle abgerissen; und der Besitzer der Villa ist aufgefordert, tragfähige Pläne für die Rekonstruierung und die zukünftige Nutzung der Villa vorzulegen und umzusetzen.


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