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Arendsee 1905 @ Am Weststrand Wolfgang A+ƒsmann
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Die Saison 1910 in Brunshaupten

Wie ein Badegast die Saison 1910 in Brunshaupten einschätzte: zu lesen im Ostsee-Boten vom 14. September 1910. Wenn Brunshaupten in diesem Jahre Rechnung macht, wird es sicherlich wieder ein erkleckliches Plus aufzuschreiben haben."


Zu dem alten Stamm der Besucher waren viele hinzugekommen, die zum ersten Male Brunshaupten aufsuchten; unter den bekannten, zum Teil seit langen Jahren bekannten Gesichtern, sah man manches neue, alle aber bezeugten, daß das traulich-gemütliche Nest am Ostseestrande das alte geblieben ist, insbesondere in seiner vorzüglichen Verpflegung und in der biederen Treuherzigkeit seiner niedersächsischen Insassen. Und doch nicht das alte. Wer hätte wohl vor einigen Jahren daran gedacht, daß der Siegeszug der Elektrizität sich auch nach hier erstrecken werde: und heute hat man in Brunshaupten nicht nur in vielen Hotels und Logierhäusern elektrische Beleuchtung, auch die Straßen, die es allerdings nötig hatten, erstrahlen stellenweise in blendendem Licht. Stellenweise, wohlgemerkt, nicht allenthalben, denn die Polizei scheint den Neuerungen ein ungerechtfertigtes Mißtrauen entgegenzubringen, das hoffentlich bald zurückgestellt wird. 


Neben der Elektrizität, Wasserleitung aus der Kühlung, WC und sonstige angenehme Dinge: Was will man mehr? Dazu die Erweiterung der beiden Badeanstalten ums Doppelte, die neue, wirklich prächtige Lesehalle am Strande, die Konzerte dabei, die neue Friedrich-Franz-Promenade: darf man sich wundern, wenn diesen hellen Vorzügen ein Schatten gegenübersteht, ein recht dunkler Schatten: Die neue Eisenbahn! Das ist ein tristes Kapitel. Man dachte wunder, was damit den drei Orten Fulgen, Brunshaupten und Arendsee zugutekam, daß sie an den großen Verkehr angeschlossen wurden, und man ist gründlich damit vorbeigeraten. Man sollte es nicht glauben, daß früher, zu Zeiten der Postkutsche und des Automobilbusses, der schon große Verkehr von Kröpelin nach der Küste weit besser bewältigt wurde als heute mit der Großherzoglich Mecklenburgischen Kleinbahn Doberan-Arendsee. An den Haupttagen des Verkehrs gab es auf dieser neuen Bahn tolle Szenen des Durcheinanders, und mancher zweifelte daran, ob er mit heilen Kleidern, heilen Gliedern oder überhaupt nach seinem Bestimmungsort kommen werde. Selbst an gewöhnlichen Tagen kam es vor, daß man von Brunshaupten aus nicht nach Heiligendamm oder Doberan kommen konnte, weil der Zug schon voll, übervoll besetzt aus Arendsee ankam. 


Dieser Verkehrsmisere muß unter allen Umständen abgeholfen werden. Hat man an den leitenden Stellen den Verkehr unterschätzt, was kein Vorwurf sein kann, so wird man jetzt die gewonnene Einsicht sicherlich darin bestätigen, daß man das Bähnchen kurzerhand umbaut und eine sekundäre Vollbahn daraus macht. Das würde die maßgebenden Stellen ehren, mit dem gewiß entschuldbaren Irrtum aussöhnen, und vor allem den drei Badeorten die ihnen zugedachte Förderung erst bedeuten. Hoffen wir also, daß das geschehe; denn wenn schon, denn schon! Soll der mitunter zweifelhafte Segen des Verkehrs in Erscheinung treten, dann muß es anders geschehen als in der heutigen Form. Mir persönlich und den meisten Brunshauptener Stammgästen war allerdings unser stilles Nest zur Zeit der Postkutsche ohne moderne Verkehrsmittel besonders wert.“


Wenn auch für den Gast die „stille Zeit der Postkutsche“ zu Ende war, so konnten die anfänglichen Probleme des Transportes mit der Kleinbahn bereits im neuen Jahr behoben werden und die Zahl der Gäste erhöhte sich um mehrere tausend Besucher.


(Geschrieben von Herrn Dr. Jürgen Jahnke)



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